Immobilien: Der Kampf gegen zu hohe Mieten
Der Grund für den ruppigeren Ton am Markt findet sich im Immobilienboom. Die Flucht aus dem Euro in „Betongold“ ließ seit 2008 die Preise für Wohnungen enorm in die Höhe schnellen. Nach langer Suche hatte Angelika Huber endlich gefunden, was sie suchte. Eine Altbauwohnung im 15. Wiener Gemeindebezirk. Die Wohnung war renoviert, doch der Mietvertrag […]

 
 

Immobilien: Der Kampf gegen zu hohe Mieten

 
 

Der Grund für den ruppigeren Ton am Markt findet sich im Immobilienboom. Die Flucht aus dem Euro in „Betongold“ ließ seit 2008 die Preise für Wohnungen enorm in die Höhe schnellen.

Nach langer Suche hatte Angelika Huber endlich gefunden, was sie suchte. Eine Altbauwohnung im 15. Wiener Gemeindebezirk. Die Wohnung war renoviert, doch der Mietvertrag leider befristet und mit 494,90 Euro Monatsmiete (ohne Betriebskosten) für 70 Quadratmeter auch nicht sehr günstig. 7,07 Euro pro Quadratmeter für eine Wohnung in dieser Lage sind ein stolzer Preis. Die umtriebige Mieterin erkundigte sich und leitete ein Verfahren bei der Schlichtungsstelle für Wohnrechtsangelegenheiten der Stadt Wien ein. Schon nach wenigen Wochen stand fest: Unter Berücksichtigung aller Zu- und Abschläge darf der Vermieter für die Wohnung nur einen Hauptmietzins von 3,64 Euro pro Quadratmeter beziehungsweise nur 254,80 Euro pro Monat verlangen. Der Vermieter überschritt damit die gesetzlich zulässige monatliche Richtwertmiete um beachtliche 94,23 Prozent. Nachdem Huber das Verfahren gewonnen hat, erspart sie sich nun 2.881 Euro Miete pro Jahr, und der Vermieter musste sogar jenen Betrag zurückzahlen, den er seit Mietbeginn zu viel verlangt hatte. Michael Ludwig, Wiener Wohnbaustadtrat: „Leider ist das kein Einzelfall, sondern wir müssen mittlerweile eine Häufung dieser Praktiken feststellen.

Rasanter Anstieg der Mieten

Viele Zinshausbesitzer ignorieren beharrlich das System der Richtwertmiete, obwohl in den Objekten, die vor 1945 errichtet wurden, diese in den meisten Fällen zur Anwendung kommen muss. Bis 2008 haben nur wenige Mieter den Gang vor die Schlichtungsstelle oder vor Gericht angetreten, aber aufgrund der enormen Mietpreissteigerungen im Zuge der Eurokrise lohnt sich für Mieter immer öfter ein genauer Blick in den Mietvertrag. FORMAT zeigt, wann die Richtwertmiete gilt, welche Zu- und Abschläge möglich sind und wie man ohne großen Aufwand und Kapitaleinsatz zu seinem Recht als Mieter kommt.

Der Grund für den ruppigeren Ton am Markt findet sich im Immobilienboom. Die Flucht aus dem Euro in „Betongold“ ließ seit 2008 die Preise für Wohnungen enorm in die Höhe schnellen. Eine aktuelle Studie von FindMyHome.at auf Basis von 6.000 Wohnungen belegt, dass in Wien die Preise für Eigentumswohnungen 2012 um 11,7 Prozent gestiegen sind. Die neuen Eigentümer wollen aber den höheren Kaufpreis bei den Mieten wieder reinholen, und so war es nur eine Frage der Zeit, bis auch die Mieten anzogen. Die Mieten legten 2012 in der Bundeshauptstadt im Schnitt um beachtliche 9,8 Prozent zu. Laut Immo-Barometer ist in den vergangenen fünf Jahren der Mietpreis in Wien um stattliche 30,3 Prozent gestiegen. Der durchschnittliche Wert liegt laut FindMyhome.at bereits bei 14,45 Euro pro Quadratmeter.

Illegale Preise

Ein so hoher Durchschnitts-Quadratmeterpreis ist gerade in Wien nur möglich, wenn Vermieter illegale Mietpreise verlangen. Denn Altbauwohnungen (bis 1945 errichtet), die nicht größer als 130 Quadratmeter sind und nach dem 1. März 1994 angemietet wurden, unterliegen dem Richtwertsystem . Und das betrifft in Wien sehr viele. 2012 hat das Justizministerium die Richtwertmiete bis 2014 mit 5,16 Euro pro Quadratmeter vor Steuern und Betriebskosten festgelegt. Ausgehend von diesem Richtwert, dürfen Vermieter noch diverse Zuschläge verrechnen – oder müssen auch Abschläge gewähren. Vor allem für eine gute Lage und Zusatzausstattungen wie zum Beispiel Gemeinschaftsräume oder einen Telekabelanschluss können Zuschläge verlangt werden.

Doch das System der Zu- und Abschläge ist schwer durchschaubar und wird immer wieder von Vermieterseite schamlos ausgenutzt. Ein Sonnenschutz, eine WG-Eignung, Stuckdecken oder keine Prostitution in der Nachbarschaft mögen zwar angenehm für den Mieter sein, aber noch lange kein Grund für einen Mietzinsaufschlag. Elfriede Fiskas-Einspieler, Leiterin der Wiener Schlichtungsstelle in Wohnrechtsangelegenheiten: „Hier findet sich sehr viel Abenteuerliches, das von Vermietern angesetzt wird. Zwar wird immer wieder argumentiert, dass die Zu- und Abschläge im Gesetz nicht fest geregelt sind, doch es gibt sehr klare Regeln, wofür wie viel auf den Richtwert aufgeschlagen oder abgezogen werden kann.

Besonders gerne vergessen die Vermieter auf den festgeschriebenen Abschlag von 25 Prozent bei befristeten Verträgen. Georg Niedermühlbichler, Präsident der Mietervereinigung: „Dabei werden heute kaum noch unbefristete Verträge vergeben. Und während Mieter mit unbefristeten Mietverträgen aber nur drei Jahre rückwirkend ihre zu viel bezahlten Mieten einfordern können, können bei befristeten Mietverhältnissen die Ansprüche bis zu zehn Jahre rückwirkend geltend gemacht werden.

Keine Transparenz

Aus diesen Gründen ist das System der Zu- und Abschläge sowohl bei Stadtpolitikern und Mieterschützern als auch bei Immobilienvertretern höchst umstritten. „Einerseits gibt es zwar klare gesetzliche Bestimmungen dafür, welche Zu- und Abschläge für die Berechnung des Mietzinses geltend gemacht werden dürfen. Andererseits müssen diese aber nicht ausgewiesen und den Mietern offengelegt werden. Wohnungssuchende haben somit überhaupt keine Möglichkeit zur Überprüfung“, so Wohnbaustadtrat Ludwig.

Auch Investoren kritisieren den Zustand, aber aus anderen Gründen. Christian Marth, Partner bei PHHV Rechtsanwälte und Leiter des Immobilien-Teams: „Wir betreuen viele ausländische Immobilieninvestoren, und die meisten sind von Wien und der Bausubstanz begeistert und wollen investieren. Dabei haben wir aber immer unsere liebe Not, ihnen zu erklären, dass gerade bei vielen schönen Objekten, die vor 1945 erbaut wurden, der Richtwertmietzins gilt – und damit die errechnete Rendite selbst bei bestehenden Mietverträgen womöglich nicht hält.“ Dann nämlich, wenn erfolgreich gegen einen überhöhten Preis geklagt wird. Bei einer möglichen Reform des Zu- und Abschlagssystems erhitzt besonders die Forderung nach einer Deckelung aller Aufschläge bei 25 Prozent die Gemüter.

Obwohl österreichweit nur neun Prozent des Gesamtwohnungsbestandes von der Richtwertmiete betroffen sind, wird ein harter Kampf geführt. Denn in den größeren Städten ist der Anteil deutlich höher. Alleine in Wien unterliegen 120.000 Wohnungen dem Richtwertsystem, und das gerade oft in begehrten Lagen. Das Gleiche gilt für Graz, Salzburg oder Innsbruck. Und die Hemmschwelle von Mietern, sich gegen überhöhte Preise zur Wehr zu setzen, sinkt gleich schnell, wie die Mieten steigen.

 

Auszug aus dem Artikel vom 29. Jänner 2013