Gute Geschäfte mit zu hohen Mieten
Findige Firmen holen vor allem in Wien Geld für Wohnungsmieter zurück.
„Ist Ihre Miete zu hoch?“ „Wir holen Ihnen Ihr Geld retour.“ Mit solchen Slogans wirbt ein Unternehmen derzeit per Postwurfsendung in Wien um Kunden, um zu viel bezahlte Miete zurückzufordern. 40 Fälle hat „mieteretour“, wie sich die seit März aktive Firma nennt, bereits bearbeitet. Zehn davon haben auch schon Geld zurückbekommen – oft bereits nach dem ersten Schreiben an den Vermieter, sagt der Firmengründer Gernot Kaiser. Vom erstatteten Betrag behält er 30 Prozent als Provision, dafür übernehme man das gesamte Risiko und sämtliche Kosten bis zur Klage.
„mieteretour“ ist nur einer von zumindest drei Anbietern solcher Dienste vor allem in Wien. Ein anderer nennt sich „Miete runter“. Gründer Christian Pultar, gelernter Steuerberater, ist länger im Geschäft und hat bereits für 100 Kunden Geld zurückgeholt. Viele darunter seien Menschen mit Migrationshintergrund oder Alleinerzieherinnen, die ohnehin knapp bei Kasse seien, sagt er. Zunächst werde der Wohnungsvermieter kontaktiert, fruchtet das nicht, geht der Fall zur Schlichtungsstelle. Diese prüft, ob tatsächlich zu viel Miete kassiert wurde. Zahlt der Vermieter auch dann nicht, folgt eine Klage.
„Unsere Kunden schätzen, dass sie, anders als bei der Mietervereinigung, kein Kostenrisiko haben“, sagt Pultar, und nicht Vereinsmitglied werden müssten. Rückgefordert werden kann die Überzahlung bis zu drei Jahre bei unbefristeten Mietverträgen, bei befristeten die volle Laufzeit. Im Durchschnitt würden 5000 Euro rückerstattet, sagt Pultar, wobei „Miete runter“ 25 Prozent Provision nimmt. Der Rekord lag bei 25.000 Euro. Warum das Zurückfordern von Miete in der Bundeshauptstadt ein gutes Geschäft werden konnte, hat mit der Wohnstruktur zu tun: Drei Viertel der Haushalte wohnen zur Miete. Der Hauptgrund ist jedoch der geringe Richtwertzins für die rund 220.000 Wohnungen in vor 1953 bzw. 1945 erbauten Häusern.
Der Basiszins sei mit 5,39 Euro (Salzburg: 7,50 Euro) pro Quadratmeter in Wien politisch bewusst niedrig gehalten worden, kritisiert Anton Holzapfel, Geschäftsführer des Verbands der Immobilienwirtschaft. Zudem seien Lagezuschläge in Bezirken mit früher sehr schlechter Hausstruktur verboten. In den vergangenen 20 Jahren sei das Gros der Substandard-Häuser jedoch saniert worden, was sich in den Mieten nicht niederschlage. Die Folge seien kürzer befristete Verträge, sagt Holzapfel. Oder die Vermieter weichen auf neue Modelle aus und vermieten nur noch an Touristen.
Auszug aus dem Artikel vom 14. August 2015